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Die Entwicklung der Kirche in Wenkbach

Die Missionierung unserer heidnischen Vorfahren begann mit dem Wirken von Bonifatius. Papst Gregor II erteilte im Mai 719 dem angelsächsischen Mönch Winfried die Missionsvollmacht und verlieh ihm den Namen Bonifatius. Das erste Ziel in unserem Raum war die Bergfestung Amöneburg, auf der Bonifatius im Frühjahr 721 eintraf. Nach Gründung eines Klosters dehnte er von hier seinen Wirkungskreis weiter aus. So baute er nach 744 das Kloster Fulda, wo er nach seinem Tode auch begraben wurde.

Schon vor dieser Zeit hatten andere Mönche aus Irland und Schottland in Nachbargebieten ihre Missionstätigkeit aufgenommen. Die Kirche Oberweimar, die zu den ältesten in Hessen gehört, könnte bereits von diesen gegründet worden sein.

Oberweimar war eine Sendkirche. Ihr unterstand ein kirchlicher Verwaltungs- und geistlicher Gerichtsbezirk, genannt Sedes. Gerichtet wurde hier über jeden, der gegen den Glauben der Kirche verstoßen hatte. Diese Gerichte waren seinerzeit eine segensreiche Einrichtung, sie wachten als aufmerksame und gestrenge Hüter über den christlichen und sittlichen Lebenswandel ihrer Untertanen, wie W. Claasen in seinem Buch „Die kirchliche Organisation“ schreibt. Die Bewohner des ganzen großen Kirchspiels sollen in der Frühzeit ihre Toten bei der Mutterkirche Oberweimar begraben haben, wie dies von Marburg belegt ist.

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Kirchlicher Verwaltungsbezirk

"Sedes Weimar"

Nach Claasen umfasste der Sendbezirk Oberweimar ursprünglich 27 Ortschaften:

Dilschhausen, Weitershausen, Nesselbrunn, Elnhausen, Hermershausen, Weiershausen, Allna, Haddamshausen, Cyriaxweimar, Oberweimar, Niederweimar, Kehna, Gisselberg, Ronhausen, Marburg, Ockershausen, Cappel, Wenkbach, Roth, Stedebach, Argenstein, Wolfshausen, Niederwalgern, Holzhausen, Oberwalgern und Fronhausen.

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So notierte es auch Herbert Kossog. Mehrere Orte spalteten sich im Laufe der Zeit von der Mutterkirche Oberweimar ab. So 1127 Marburg und Fronhausen schon etwa 1120. Gegen die Abtrennung der Kirche Fronhausen vom Kirchspiel Oberweimar wehrte sich Pastor Dittmar. Sein Anspruch wurde auf einer Generalsynode im Jahr 1159 von Erzbischof Arnold von Mainz abgewiesen, mit der Begründung, die Kirche Fronhausen gehöre schon seit 35 Jahren dem Stift Essen. In diesem Jahrhundert wurde bereits der „wehrhafte" Kirchturm in Wenkbach gebaut.

Der Zugang in die Obergeschosse dieser wehrhaften Kirchtürme erfolgte gewöhnlich über eine hoch gelegene Pforte, die direkt in das erste Obergeschoss mündete. Diese Eingänge konnten oft nur über eine einziehbare Leiter, seltener durch Treppen, erreicht werden. Wie Gerhard Seip in seinem Buch „Wehrhafte Kirchen" noch schreibt, waren diese Zugänge ursprünglich durch Riegelbalkenverschlüsse gesichert, angeblich so auch in Wenkbach.

Wegen der Größe des Kirchspiels von Oberweimar standen dem Pfarrer wahrscheinlich Kapläne oder Vikare zur Seite. Über die Besetzung der Pfarrstelle von Oberweimar vor der Reformation, sind nur wenige Namen überliefert. Es sind dies die katholischen Priester:

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  • 1159 Dytmarus

  • 1210 Wideroldus

  • 1327 Henricus

  • 1377 Merkelin

  • 1428 Flegken

  • 1441 Hannemann

  • 1451 von Lutter

  • 1470 Conradus

  • 1493 Gimpel

  • 1501 von Lüder

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Das sind nach den bisher bekannten Unterlagen wohl auch die ersten Pfarrer von Wenkbach. Die Kirche Wenkbach mit Argenstein und die Kirche Roth trennten sich nach alten Dokumenten erst vor 1539 von der Mutterkirche Oberweimar. Gesicherte Daten darüber konnten nicht ermittelt werden. Über das kirchliche Leben unseres Dorfes vor dieser Zeit ist so gut wie nichts überliefert. Auch der Weiterbau der Wenkbacher Kirche liegt zeitlich vollkommen im Dunkeln. Bekannt ist, dass Landgraf Philipp 1522 den „Send", die geistliche Gerichtsbarkeit, verbot.

L uther trat Anfang des 16. Jahrhunderts mit seinen reformatorischen Gedanken auf und predigte gegen „abergläubische" Gebräuche innerhalb der katholischen Kirche. Landgraf Philipp schloss sich dieser Lehre an und führte im Oktober 1526, auf der „Hornberger Synode" in Hessen die Reformation ein. Ludwig Schenk amtierte damals als Pfarrer in Oberweimar und war damit wohl auch der erste evangelische Pfarrer in diesem Kirchspiel.

In Fronhausen versah von 1510 bis 1527 Johann Kaufmann seinen Dienst als katholischer Priester. Nach Einführung der Reformation predigte er 1527 zum ersten Mal evangelisch und versah sein Amt noch bis zum Jahre 1540.

Wenkbach gehörte mit den Dörfern des Eigen nun schon zur Mutterkirche Fronhausen. Während der Amtszeit von Pfarrer Johann Kaufmann wurde zwischen der Gemeinde Fronhausen und den drei Dörfern des Eigen, Roth, Wenkbach und Argenstein, ein Vertrag über die „Baulast“ am Friedhof Fronhausen abgeschlossen. Danach hatten die drei Dörfer ein Drittel dieser Kosten zu tragen.

Die drei Orte des Eigen hatten zu dieser Zeit ihre Begräbnisstätte auf dem Friedhof in Fronhausen.

Pfarrer Johann Kaufmann war es auch, der 1539 Kirchengelände zu Wenkbach für neun Jahre an „Jörg Scherers zu Roide und Joist Hetgen zu Wenkbach“ verlieh.


Der mehrseitige Vertrag beginnt bei:

,Anno Domini XV neun und dreissig hüben Ebert der eltere und Jörg Schencken zu Schweinsberg und Herr Johann Kaufmann, pherner zu Fronhusen, verliehen das Kjrchengelende zu Wenkbach, wie und wo das in Wenckbacher feldmark gelegen und besichtigt und ufgezeichnet ist, ... dann den zehenden zu geben ..., neun Jahre lang den bescheiden leuthen Jörg Scherers zum Roide und Joist Hetgen zu Wenkbach, jedem die helft daran ... vor eine stendige Pacht ... jeden Jahres zu gebohrlicher Zeit, Her Johan Kaufmann pherner zu Froinhausen, von wegen einer predige zu Wenkpach zu thun, wie das gewohnlich herkommen ist...".

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Der Pfarrer von Fronhausen predigte danach 1539 in Wenkbach. Dort hatte er auch Güter, von denen ihm der Zehnte zustand. Aufgrund seiner früheren Zugehörigkeit zur Kirche Oberweimar hatte Wenkbach noch von Ländereien am Nickelsberg den Zehnten, oder die 11. Garbe, dem Pfarrer von Oberweimar abzuliefern.

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Der "Zehntel"

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Nach dem Ortslodkon von Heinrich Reimer, wurde Roth 1577 vorübergehend als Pfarrei bezeichnet, mit den Filialen Wenkbach und Argenstein.

Danach wurden die drei Dörfer wieder zur Mutterkirche Fronhausen gezählt.

Von den Anwohnern wurde erwartet, dass sie auch den Gottesdienst in der Mutterkirche Fronhausen besuchten, da in Roth und in Wenkbach „nur" alle 14 Tage eine Predigt gehalten wurde. Der Weg nach Fronhausen war beschwerlich und für die meisten Leute nur zu Fuß zu bewältigen. Die „Drei Dorfschaften im Eigen, Roth, Wenkbach und Argenstein" baten daher mit einem Schreiben vom 7. Juli 1664, um einen eigenen Pfarrer. Sie begründeten ihren Antrag sehr genau:

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,,Hochwohlgeboren Gestreng und Beste ... hochgeehrte... Junkern, Euer hochedel geben wir hiermit unterthänig zu vernehmen, daß wir zwar bey der Pfarr Fronhausen bishero eingepfarrt gewesen, dieweil, daß.. . wir aber aus diesen dreyen Dorfschaften das Eigen genannt

  1. ziemlich weit in die Mutterkirche, und zwar einen bösen Weg über Gräben zu gehen haben,

  2. die alte, Kranke und Schwangere, auch Kinder in großer Kälte und Hitze, auch Winterszeit nicht fort kommen können.
    Acta, Verleihung des Kirchengeländes zu Wenkbach, 1539

  3. wenn es sehr regnet ergießt sich die Lahn also, daß der (Pfarrer weder zu <Fuß nach Roth, noch wir in die Mutterkirche kommen können.

  4. kan die Kinderlehr nicht so exercieit, und nicht in ihm Christentum informiert werden, aß wann wir ein eigenen Pfarrer haben.

  5. Obwohl der Pfarrer zu Fronhausen zum Roth allen Donnerstag, zu Wenkbach aber allen Dienstag, und dan bloß ade vierzehn tag eine Sonntagspredigt, weiche wir ihm mit 20 ff außer seinem Sold absonderlich verlohnen...

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Weiter wird aufgeführt, dass die Sonntagspredigten mal früh, mal spät und mal gar nicht stattfinden. Man bittet „unterthänigst einen eigenen Pfarrer zu bekommen". Zum Schluss heißt es:

Solches gereichet zu (Fortpflanzung der christlichen (gemeinde auf Erden und wird unser Herr Christus als das Haupt der Kirchen solches reichlich verlohnen und wir verbleiben Vnterthänige Vnterthanen im Eigen, nämlich Roth Wenkbach und Argenstein."

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Acta, Verleihung des Kirchengeländes

zu Wenkbach, 1539

Eine weitere Bittschrift ähnlichen Inhalts liegt noch aus dem Jahr 1691 vor. Man bemühte sich wohl bis 1711 eine eigene Pfarrei nach Roth zu erhalten, wie wir wissen ohne Erfolg.

Nach den Aufzeichnungen von Heinrich Reimer war Roth dann 1747 zwischenzeitlich nach Wenkbach eingepfarrt. Danach waren die drei Orte des Eigen wieder Filial von Fronhausen.

Nach einem „Ley-Brief von 1693 wurden zur Landsiedelei zwölf Morg. Acker, welche in Wenkbacher, Rother und Argensteiner Feldmark gelegen, die dem Pfarrer Fronhausen eigentümlich zustehen Geiß Willershausen und Johannes Schneidern, beide zu Wenkbach, auf acht Jahre zu Pacht gegeben. Dafür mussten diese ins Pfarrhaus Fronhausen liefern und entrichten:

Zehn Mött Korn, Zehn Mött Hafer, ein Mött Gersten -alles trocken, wie auch zwei Gänse, 2 Hühner, 2 Hahnen,

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(Ausschnitt des Briefes vom 7. Juli 1664)

Kirchenbußen

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Im Jahre 1788 wurde eine „allgemeine Beicht" eingeführt, statt der in einigen Lutherischen Kirchen noch immer üblichen einzelnen Privatbeichten.

Die Kirche wachte darüber hinaus streng über Sitte und Moral. Wer dagegen verstieß, musste in besonders schweren Fällen während des Gottesdienstes öffentliche Buße ablegen. Davon berichten Eintragungen im Kirchenbuch von Fronhausen aus dem 18. Jahrhundert. So ist zu lesen:

„... am monatlichen (Bettag legte öffentliche 'Kychenbuße ab Heinrich ... von 'Fronhausen, welcher Elisabetha, Heinrich ... Tochter von 'Wenkbach geschwängert hat. 'Der gotteskasten hat einen ThL bekommen wie auch der (Pfarrer einen".

In einem ähnlichen Fall zum Schluss:

„ ... (Der "Kasten und der (Pfarrer haben von der liederlichen (Dirne wegen Armut nichts bekommen".

Das Ablegen solcher Kirchenbußen wurde noch bis über das 19. Jahrhundert hinaus gefordert.

Vermögen der Kirche zu Wenkbach , 1824

Überliefert ist eine Aufstellung über das Kirchenvermögen aus dem Jahr 1824. In diesen Unterlagen des Pfarrarchives Fronhausen sind aufgeführt:
 

A) Eine Kirche mit zwei Glocken und keine Orgel aber eine Uhr.

B) Zu den verschiedenen Ministerial-Handlungen erforderliches Gerät:

 

  1. ein silberner Kelch mit messingem Fuß nebst Deckel

  2. zwei große zinnerne Flaschen und Kannen

  3. eine silberne Hostien Schachtel

  4. eine alte Darmstädtische Kirchenordnung

  5. eine Hessische Bibel in groß ein altes Gesangbuch

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Schraubflasche aus Zinn, 1700

Diese Schraubflasche aus Zinn , gestiftet 1700, war ursprünglich im Besitz der Wenkbacher Kirche. Heute steht sie im Marburger Schlossmuseum. Die eingravierte Schrift lautet:

Im 1700 sten Jahr diese Flasche von Gottfried Detgen wegen getraut Stöckerin in die Kirch nach Wenkbach gestiftet war".

Solche kirchlichen Geräte aus Zinn dienten in hessischen Dorfkirchen als Ersatz für das teure Silbergerät.

Kirchen- und Schulvisitation

 

Bis ins 19. Jahrhundert mussten die Erwachsenen Gemeindemitglieder einmal im Jahr, in der Kirche Fronhausen, Prüfung ablegen über ihre religiösen Kenntnisse. Die Schulmeister hatten Rede und Antwort zu geben.

Ein Bericht des Superintendenten an das kurfürstliche Konsistorium vom 2. Oktober 1805 gibt uns einen guten Einblick in die damaligen Gepflogenheiten. Der Bericht lautet:
 

"Sonntags den 29. September 1805 begab ich mich mit meinem Assistenten und Pfarrer Röter in die Kirche zu Fronhausen, wo die Gemeinden Fronhausen, Roth, Wenkbach und Argenstein versammelt waren...

Nach der Predigt hieb ich eine kurze Rede und prüfte sodann die Gemeinde auf ihre religiösen Kenntnisse. Von den meisten erhielt ich gute antworten...

Nach der Kirche vernahm ich die Kirchenältesten, die Pfarrer und die Schulmeister. Die Pfarrer gaben  gutes  Zeugnis die Kirchenältesten hatten gleichfalls nichts zu klagen...

Der Schulmeister Becker zu Wenkbach hatte auch nichts anzuzeigen."

 

Die Schüler von Roth, Wenkbach, Argenstein und Fronhausen mussten vor dem Pfarrer ebenfalls Zeugnis über ihre Kenntnisse ablegen. Hierfür gab es 1843 für die Pfarrer eine besondere "Anweisung für die Geistlichen zur Ausübung der ihnen hinsichtlich der Schulen ihrer Pfarreien obliegenden Amtspflichten" von der kurfürstlichen Regierung. Die Lehrer waren den Pfarrern unterstellt.

Das kirchliche Leben spielte im Dorf eine große Rolle. Jahrhunderte blieben die kirchlichen Abläufe gleich. Der Kirchgang war für jeden eine Selbstverständlichkeit.

Im Gottesdienst und bei anderen kirchlichen Handlungen, eine Orgel gab es in Wenkbach noch nicht, fungierte der Lehrer als Vorsänger. Dafür erhielt er eine kleine Vergütung („Salarie"). Gewöhnlich versah der Lehrer von Fronhausen, der dort Organist und Kantor zugleich war, diesen Dienst auch in Wenkbach. Der örtliche Schulmeister durfte nur in Ausnahmefällen aushelfen. Es sind von solchen Einsätzen Meinungsverschiedenheiten der beiden Lehrer, über die Verteilung des „Salarie" überliefert.

Kirchenuhr und der Nachtwächter

 

Die in der Vermögensaufstellung schon genannte Kirchenuhr gab lange Zeit Anlass zum Ärger. Sie war defekt. Darüber liegt ein sehr aufschlussreiches Schreiben der Gendarmen Sack und Füller von der Polizeistation Sichertshausen, an die Kurfürstliche Polizeidirektion zu Marburg, vom 4. November 1856 vor:
 

"Da die Dorfuhr zu Wenkbach schon seit einigen Jahren gar nicht im Gange sei, und der dortige Schullehrer Friesleben auch sich gar nicht darum bekümmere, um solche im Stand zu erhalten, und hierdurch im dortigen Wirtshaus schon Unordnungen vorgekommen sind, weil der Nachtwächter nicht nach der Kirchenuhr die 10 Uhr hatte abrufen können, und die Gäste dem Wirth seine Uhr in der Stube nach ihrem Wunsch gestellt, und hierdurch die polizeiliche Feierabendstunde überschritten...".


Das wurde zur Anzeige gebracht mit dem Verlangen, die Uhr in Stand zu setzen. Am 12. November berichtete, auf Grund einer Rückfrage, der Ortsvorstand:

"... daß die Uhr schon bei zwölf Jahren nicht mehr gegangen. Daß der Wächter die zehn Uhr nicht zur rechten Zeit abrufen kann ist die Unwarheit, in dem jeder Einwohner ohne Ausnahme eine Stubenuhr hat, welche man ganz genau auf der Straße schlagen hört".

Im August 1857 war die Uhr immer noch nicht in Ordnung, man kündigte die Reparatur für das folgende Jahr an.

„Acta, de 1867" über die Pfarrei Fronhausen


Man berichtete damals, dass Wenkbach und Argenstein, jedes 1% Stunde von Fronhausen entfernt, eine kirchliche Gemeinde bilden. Die gemeinsame Kirche, welche sich in Wenkbach befindet, sei klein, der Turm mit darunter befindlichem kleinen Chor sehr alt, vielleicht schon 800 Jahre und dass das Schiff der Kirche vor etwa 150 - 200 Jahren angebaut wurde. Die Kirche habe eine alte Uhr und zwei Glocken, welche noch aus der vorreformatorischen Zeit stammen. Wenkbach habe 37 Häuser und 212 Seelen, Argenstein 33 Häuser und 188 Seelen. An beiden Orten wohnten keine Israeliten. Der Grund und Boden sei im ganzen fruchtbar.

In diesem Bericht wird erstmals eine Zeit für den Bau des Kirchenschiffes erwähnt, die danach im 17. Jahrhundert gewesen sein soll. Die genaue Zeit liegt auch hier vollkommen im dunkeln.

Abgaben für die Pfarrei

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Mit der Teilung des Schenkisch Eigen in drei selbstständige Gemarkungen, wurden 1886/1890 die noch immer bestehenden Realabgaben für die Pfarrei Fronhausen in Geldzahlungen umgewandelt. Nach einer Aufstellung in der „Reallasten-Ablösungs-Sache" bestanden bis dahin folgende Rechtsverhältnisse: Die Hausbesitzer waren verpflichtet:
 

  1. an die Pfarrei zu Fronhausen alljährlich bestimmte Abgaben und zwar von den Wohnhäusern bestehend in Eiern, von den Gemeindenutzungsanteilen bestehend in Flachs,

  2. an die Schul- und Küsterei zu Wenkbach von den Gemeinde­nutzungsanteilen ebenfalls jährlich bestimmte Abgaben, bestehend in Getreide, Brot und Geld zu entrichten.

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Gemälde „Hessische Abendmahlsfeier" von Carl Bantzer

Die alte Holzkirche

 

Die alte Holzkirche zu Wenkbach war 1891 dem Maler Carl Bantzer Modell für das bekannte Gemälde. Er schrieb dazu:

"Eine Vollendung des neu angefangenen Bildes war weder im Schulsaal noch in einer Kirche selbst denkbar, und ich kam daher im Frühjahr 1891 zu dem Entschluß, mir selbst eine Kirche aus Holz zu bauen und zwar nach dem Vorbild der Kirche im Dorfe Wenkbach bei Marburg. ... die Wenkbacher Kirche gab mir das, was ich suchte: einen schlichten weißgetünchten Raum mit farbig gestrichenen Bänken und einem dämmerigen Altarraum ...".

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Der wuchtige Wehrturm aus dem 12. Jahrhundert mit der angebauten kleinen „Holzkirche"​

Baugebrechen der Kirche

 

Schon 1852 zeigte das Kirchenschiff, das nach den vorliegenden Unterlagen aus Holz gebaut war, große Baumängel. Man hielt

daher den Abbruch der Kirche für notwendig, wie das nebenstehende Protokoll zeigt.

Von dem Kurfürstlichen Landratsamt wurde daher aufgegeben, „Riß und Kostenanschlag" einzureichen und sich über die Aufbringung der Kosten zu äußern.

Im November 1852 erklärte dazu Bürgermeister Schmidt von Wenkbach wörtlich:

Die Gemeinde Wenkbach und die mit uns im Kirchenverbande stehende Gemeinde Argenstein ist sehr arm, daß es nicht möglich ist, eine neue Kirche, oder ein neues Schiff zu dem Turme aus Stein zu erbauen... ferne sind wir jedoch dazu bereit, weil wir das Bedürfnis selbst einsehen, das Schiff der Kirche aus starkem Eichenholze zu errichten... die Gemeinden Wenkbach, Roth und Argenstein besitzen nämlich einen gemeinsamen Wald, in welchem sich sehr gutes Eichenholz befindet. Das gegenwärtige Schiff der Kirche ist auch nur aus Holz erbaut".

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Protokoll vom Juni 1852, Kirche Wenkbach

Der Antrag, das Kirchenschiff wieder aus Holz zu bauen, wurde nicht genehmigt. Roth war auch mit der großen Holzentnahme aus dem gemeinsamen Wald nicht einverstanden. Die Verwaltung bestand auf einem Bau des Kirchenschiffes aus Stein. Ein

Kostenanschlag vom 22. März 1853, mit detaillierter Aufstellung für jedes Handwerk kam auf eine Hauptsumme von 3000 Thaler.

Dieser Betrag war nach Aussage der beiden Gemeinden Wenkbach und Argenstein nicht aufzubringen. Man entschloss sich, zunächst nochmals eine Reparatur vorzunehmen.

Eine Revision vom 24. August 1857 der Baugebrechen an der Kirche zu Wenkbach ergab, dass die Deckenbohlen schadhaft und

mehrere Stücke herabgefallen waren.

Die dringendsten Reparaturen wurden durchgeführt, so dass, wie es heißt, „nunmehr ohne Gefahr der Gottesdienst fortgesetzt" werden konnte.

Als es 1867 in die Kirche  durchregnete, ließ man das Dach nochmals durch die „Schieferdecker" ausbessern.

Schon ein Jahr später, im Sommer 1868, schlug der Blitz in die Kirche ein und richtete erneut großen Schaden an Dach und Schiff an.

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Neubau des Kirchenschiffes 1905

 

Ab 1900 bemühte man sich ernsthaft um den nun dringend erforderlichen Neubau der Kirche. In einem Vorbericht zu dem Kostenanschlag für die „Filialkirche zu Wenkbach, Kreis Marburg, Erweiterungsbau, aufgestellt d. 18. Febr. 1905" der Architekten Eichelberg und Dauber, heißt es:

"Das Kirchspiel Wenkbach ..., beabsichtigt die alte ca. 80 Sitzplätze enthaltende sehr baufällige Kirche und zwar das Schiff derselben abzubrechen und an den Turm ein neues Schiff... auszuführen. Am Schiff sind die West- und Nordwand schon früher eingestürzt und durch provisorische Fachwände ersetzt gewesen. Der Turm dagegen ist ein interessantes Beispiel des 15. Jahrhunderts, dessen Unterbau noch aus romanischer Zeit stammt .... Der Turm, früher als Chor, diente nachher als Haupteingang und Windfang. ... Im Schiff sind 138 und auf der Bühne 94 bis zusammen 232 Sitze vorgesehen. Kanzel und Pfarrstand von der alten Kirche finden Verwendung. Vorgesehen ist ein neuer Ofen, ferner eine neue Orgel mit 4 Register. Der Kostenanschlag beträgt Mark 17000.-".

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In einer Sitzung des großen Presbyteriums (Kirchenvorstandes) in Wenkbach am 12. April 1905 wurde Architekt Dauber beauftragt, die Arbeiten für den Rohbau des Kirchenschiffes wie folgt zu übertragen:
 

  1. Die Steinhauer-, Maurer- und Putzarbeiten dem Maurermeister Heinrich Greif und dem Steinhauermeister H. Karber.

  2. Die Zimmerarbeiten dem Zimmermeister Caspar Eidam von Roth.

  3. Die Dachdeckerarbeiten an Johannes Müller von Lohra.

  4. Die Spenglerarbeiten an  Spenglermeister G. Gundlach von Marburg.
     

Die Arbeiten begannen im Mai 1905. Wie die Oberhessische Zeitung meldete, erfolgte die Grundsteinlegung zur Restaurierung der Kirche am 30 Mai 1905, nachmittags um 6 Uhr.

Die restlichen Arbeiten wurden bei einer Sitzung am 23. Juni 1905 vergeben.

Es erhielten:
 

  1. Die   Schlosserarbeiten der Schlosser Louis Becker von Fronhausen.

  2. Die   Anstreicher- und Malerarbeiten der Maler Johannes Kleintopf aus Kirchhain.

  3. Die Glaserarbeiten der Glaser August Bitter zu Marburg.
     

Beschlossen wurde, der Firma Förster & Nicolaus aus Lieh die Lieferung einer neuen Orgel mit 5 Registern zu übertragen. Die Schreinerarbeiten wurden später an die Firma Hch. Kleintopf, Kirchhain, vergeben.

Die erforderlichen Steine für den Neubau kamen aus dem Sandsteinbruch bei Argenstein der Firma Gombert aus Wolfshausen. Wie die Schulchronik berichtet, geschah beim Transport der Bruchsteine ein schwerer Unglücksfall. Ein Fuhrmann aus Bellnhausen verunglückte mit seinem Pferdegespann unterhalb des Steinbruches auf dem steilen Feldweg. Der Hemmbalken brach und das schwer beladene Fuhrwerk kippte über Fuhrmann und Pferde. Die Pferde waren sofort tot. Der Fuhrmann starb an seinen schweren Verletzungen noch am Unfallort. Aus diesem Steinbruch kamen auch die Fensterbögen für den Kirchenneubau.

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Die Belegschaft des Argensteiner Steinbruchs

Ganz sicher waren bei diesen Arbeitern auch einige aus unserem Dorf dabei, zumal Steinhauermeister H. Karber aus Wenkbach dort in seiner Firma etliche Leute beschäftigte. Im Vordergrund des Bildes schon fertig behauene Fensterbögen für die Wenkbacher Kirche.

Am 1. September 1905 meldet die Zeitung unter Wenkbach:

Die Arbeiten zum Umbau unserer aus dem 12. Jahrhundert stammenden Kirche schreiten rüstig vorwärts und steht zu hoffen, daß die Kirche bald wieder in Benutzung genommen werden kann".
 

Bei diesen Arbeiten kamen in dem mit Tonnengewölbe überdeckten Untergeschoss des Turms Wand- und Deckenmalereien aus dem 15. Jahrhundert zum Vorschein. Der Landes-Konservator von Drach setzte sich im Interesse der Denkmalpflege für die Erhaltung und Wiederherstellung dieser Malereien ein. Mit Unterstützung, auch durch Berliner Ministerien, wurden die Wand-und Deckenbilder wieder hergestellt.

Leider wurden diese Restaurierungsarbeiten sehr mangelhaft ausgeführt.

Die folgenden Abbildungen geben einen ungefähren Eindruck der schönen und harmonischen Wirkung des Chores mit seiner Ausmalung. Die Farben waren vorwiegend Gelb, Rot, und Grau mit nur wenig Grün und Blau auf weißem Grund.

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Die Ostwand des Chores, mit Ornament-Glasfenster Darstellungen aus dem Leben Jesu und des Jüngsten Gerichts

Die Leibungen der Fenster waren mit roten Bändern begrenzt und der Zwischenraum mit rotem Rankwerk gefüllt. Unterhalb der Bilderreihen war ein gelb gestrichener und rot schattierter, gemalter Wandteppich.

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Westseite des renovierten Chores

Die Aufnahmen wurden seinerzeit vom Fotografen Bickel, Marburg, für das Hessische Denkmal-archiv hergestellt, das uns diese freundlicherweise zur Verfügung stellte.

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Nordwand im Chorraum

Die Nordwand im Chorraum zeigt Szenen aus dem Leben Christi und Marias. Das kleine Bogenfenster mit der Kreuzigungsgruppe wurde vom Glasmaler Alb. Merzweiler, Freiburg, gestaltet und 1905 eingebaut. Am Tonnengewölbe zeigten fünf Medaillons Engelfiguren und Spruchbänder. Die Rundbilder waren mit roten Bändern eingefasst und die Zwischenräume mit feinen Ranken und rot-grünem Blattwerk ausgefüllt.

Die farbige Ausschmückung des Wenkbacher Chorraumes wurde schon von der Zeitschrift „Denkmalpflege" vom 3. Mai 1916 gewürdigt und auch mit Fotos vorgestellt.

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